Die Kraft der Liebe

    Viele, vielleicht die meisten Menschen denken bei dem Begriff Liebe zunächst an die Gefühlswelt zwischen zwei Partnern; an die erste Liebe, an Hochzeiten und an ein langes Lebensglück. Abgesehen davon, dass das Glück auf Dauer nicht ausschließlich an einen einzelnen Menschen gebunden sein sollte, äußert sich die Kraft der Liebe auf vielfältige Art und geht weit über das Partner- oder Eheglück hinaus.

    Die eine große Liebe

    Unbestreitbar: Wir alle freuen uns, wenn wir einen Menschen gefunden haben, der zu uns passt und mit dem wir das wirklich große Glück erleben dürfen. Das Problem ist nur: Wir müssen uns auch auf den Alltag gefasst machen, der Unannehmlichkeiten bereithält, nur mit Kompromissen und durchaus mit mancher Meinungsverschiedenheit zu bewältigen ist. Sein Glück ausschließlich auf eine einzelne andere Person zu setzen, bedeutet für einen selbst Abhängigkeit, für den Anderen gegebenenfalls auf lange Jahre hinaus eine Last – immer abhängig natürlich von dem Miteinander.

    Keine dieser Aussagen ist zu verabsolutieren, denn es gehören immer zwei Menschen zu einer solchen Partnerschaft, und nicht ein Paar ist wie das Andere. Dennoch ist es für eine Beziehung leichter, die anderen Aspekte der Liebe und die Kraft der Liebe, die daraus resultiert, zu kennen und bewusst zu genießen. Davon hat nicht nur unser fiktives Paar etwas, sondern auch dessen Umgebung. Abgesehen davon bereichert es jeden Menschen, wenn er bewusst lieben kann: den Partner – und manches mehr.

    Spielarten der Liebe

    Es gibt viele Versionen der Liebe: Das Paar liebt seine Kinder, wird selbst von seinen Eltern geliebt, wird eines Tages von den Enkeln verehrt. Daneben lieben wir Freunde, nette Nachbarn, den Hund und unseren Garten.

    Die Liebe zur Natur ist für unser Inneres besonders wichtig. Wir schöpfen Kraft aus dem Lieblingsbaum, in dessen Schatten wir gern lesen, oder aus dem Meeresrauschen im Urlaub. Gartenarbeit ist nicht nur der Bewegung wegen bekanntermaßen heilsam, sondern eben auch deshalb, weil wir mit der Natur umgehen, sie riechen, fühlen und in uns aufnehmen. Sich dies immer wieder bewusst zu machen, bedeutet, die Kraft der Liebe wirklich zu spüren.

    Tiere gehören im weitesten Sinne ebenfalls in diesen Zusammenhang, denn sie fordern uns: Wir müssen sie umsorgen, sie zum Arzt bringen, füttern und mit ihnen spielen oder uns zumindest mit ihnen beschäftigen. Insofern ist die Spannbreite zwischen Kindern und Tieren gar nicht so weit, und genau deshalb sind Tiere für einsame Senioren eines der wichtigsten Heilmittel überhaupt. Sie wirken jünger, fühlen sich weniger allein, sind geistig und körperlich frischer und leiden seltener unter Langeweile.

    Mit sich selbst im Reinen

    Die Kraft der Liebe kann sich auch in Hobbys äußern. Es geht nicht um Sucht, diese Entwicklung hat mit echter Liebe nichts mehr zu tun; nicht nur im beruflichen Sektor kann die Grenze zwischen der Liebe zur Tätigkeit und einer (Arbeits-)Sucht dünn sein. Hier greifen dann das eigene Bewusstsein und die (richtig dosierte) Eigenliebe, die ebenfalls wichtig ist: das sorgsame Kümmern um sich selbst.
    Zu den Hobbys: Wer sich auf Bücher oder Eisenbahnen, auf Sportarten oder den Schoppen mit Freunden am Sonntagmorgen freut, hat Ziele und verspürt eine tiefe Befriedigung in sich.

    Was ganz deutlich wird: Liebe braucht keinen Ehrgeiz. Ich muss nicht den schönsten Garten der Umgebung haben, wenn ich Gartenarbeit liebe. Ich benötige keinen Rassehund zum Vorführen, wenn ich das Tier liebe. Vielleicht werde ich niemals ein schneller Leser, Spitzengolfer, guter Klavierspieler oder Maler: Wenn es mir Spaß macht, ist dies der einzig richtige Grund, das zu tun, was ich liebe (sofern ich niemanden damit quäle oder Grenzen verletze). Und ich kümmere mich nicht darum, was der Rest der Welt davon hält.

    Sich einlassen

    Menschen oder Dinge zu lieben, bedeutet, seine Konzentration auf etwas zu richten und sich damit wirklich zu befassen. Die Kraft der Liebe resultiert auch daraus, dass ich nicht oberflächlich agiere. Ich lasse mich auf etwas ein und toleriere auch Nebenwirkungen: Das Kind nervt, aber ich liebe es nicht weniger. Das Fahrrad ist oft kaputt, aber ich bringe es immer wieder zur Reparatur. Der Daumen ist oft blau, die Hand gequetscht, doch ich schlage unverdrossen den nächsten Nagel ein und bleibe mit Leidenschaft Heimwerker. Ich ziehe meine Befriedigung weniger aus dem Endergebnis, sondern aus dem Vorgang, der Tätigkeit an sich. Ich ändere meinen Maßstab und meine Sichtweise. Das heißt nicht, alles zu akzeptieren oder gut zu heißen – jeder wird mal wütend, ist traurig, gereizt und schlecht gelaunt -, aber es bedeutet, Prioritäten anders zu setzen und im Ganzen toleranter zu sein, sich erneut einzulassen, zu diskutieren – und zu verzeihen.

    Besser miteinander leben

    Genau diese Kräfte fehlen, wenn die Kraft der Liebe fehlt, ob privat, beruflich oder gesellschaftlich: Toleranz, Güte, Mitmenschlichkeit, die Kraft zu verzeihen, Sorge (im besten Sinne von Umsorgen, sich um jemanden sorgen; gemeint ist nicht die sogenannte „Affenliebe“ oder „Gluckenliebe“, die mit echter Liebe oft wenig zu tun haben, weil sie keine Freiheiten lassen). Die Kraft der Liebe verleiht neue Kräfte, auch schwierige Situationen besser durchzustehen. Außerdem ist sie gesünder für Herz, Kreislauf und Psyche.

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