Wer glaubt, dass ärztliche Beratung und Begleitung per Bildschirm eine Neuerfindung darstellen, muss sich eines Besseren belehren lassen. Schon ab 1980 werden in der Raumfahrt Ferndiagnosen gestellt und auch bei Expeditionen in wenig besiedelte Regionen wurde eine ärztliche Beratung über die Distanz erfolgreich angewandt. In Flächenländern wie Norwegen sind dieser Art Untersuchungen nicht unüblich. Aber erst mit dem Einsatz des Internets sind die Voraussetzungen gegeben, dass eine Online Beratung über Distanz flächendeckend eingeführt werden könnte. Und jetzt in Zeiten von Corona, mit Vorgaben des social distancing, schießen Firmen wie Medzino Telemedizinportal wie Pilze aus dem Boden! Deshalb ist es an der Zeit, diese Art der ärztlichen Behandlung etwas näher zu betrachten.
Vorteile einer Diagnose per Internet
Seit April 2017 übernehmen Krankenkassen die Kosten einer Online-Sprechstunde und im Mai 2018 ebnete der Deutsche Ärztetag den Weg für einen Arztbesuch via Videochat, ohne dass vorher eine persönliche Behandlung durchgeführt wurde. Grundvoraussetzung ist die Wahrung der ärztlichen Vertretbarkeit und Sorgfalt. Auch die Patienten standen dem Angebot laut einer Bitkom-Umfrage aus dem Jahre 2019 bejahend gegenüber. 64 % der Befragten sehen es als positiv an, dass der Zugang zu weit entfernten Fachärzten signifikant erleichtert wird. Mehr als die Hälfte der Befragten hoben den Wegfall der Wartezeiten in der Praxis hervor und 43 % sind heilfroh, dass sie sich im Wartezimmer nicht mehr bei anderen Patienten anstecken können. Für jeden Dritten ist der Wegfall der Anfahrt maßgeblich und dass im Falle einer Krankheit das Haus nicht mehr verlassen werden muss. Nur 13 % gaben an, dass eine Online-Sprechstunde keine persönlichen Vorteile mit sich bringen würde.
So herrscht der allgemeine Tenor vor, dass mit der Digitalisierung große Chancen für die flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung einhergehen. Insbesondere auf dem Land oder bei Personen mit mobilen Einschränkungen sorgt eine Online-Sprechstunde für einen erleichterten Zugang zu qualifizierten Ärzten. Für die Ärzte selbst bietet die Online-Diagnose die Möglichkeit einer Entlastung der Arztpraxen und eine deutlich erhöhte Flexibilität. So ist man in eingeweihten Kreisen inzwischen davon überzeugt, dass mit der Einführung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung per Internet sehr viel Geld und Zeit eingespart werden könnte, um die Belastungen der Krankenkassen zu mindern und die Qualität der Behandlungen zu verbessern.
Digitale Diagnose und ihre Grenzen
Der persönliche Arztbesuch wird auch zukünftig nicht verschwinden. So kann dem Patienten über die Distanz weder Blut abgenommen noch eine Spritze gegeben werden. Auch bei einer nicht zweifelsfrei zu stellenden Diagnose ist ein persönliches Erscheinen in der Praxis unabkömmlich. Für Ärzte werden spezielle Schulungen einzurichten sein und besonders ältere Menschen, welche ja den Löwenanteil der Patienten stellen, werden Unterstützung brauchen, um die neue Technologie zu verstehen
Eine weitere Aufgabe wird sein, die Patientendaten ausreichend zu schützen. Der Patient muss den Krankenkassen schriftlich bestätigen, mit den Online-Behandlungen einverstanden zu sein und die Arztpraxen nutzen zertifizierte Videodienstanbieter zur besonders gesicherten Verschlüsselung der Übertragung, welche nicht aufgezeichnet werden darf.
Online- Beratung wird sich etablieren
Im Moment ist es hierzulande noch nicht zur Gewohnheit geworden, sich vom Arzt per Videochat seine Gebrechen diagnostizieren zu lassen. In den USA, Skandinavien, der Schweiz und Großbritannien wird die Telemedizin schon viele Jahre erfolgreich eingesetzt. Gemäß dem Hang der Deutschen zum Abwarten gegenüber Neuem ist das auch nicht verwunderlich. Telemedizin kann die Beratung von Angesicht zu Angesicht nicht völlig ersetzen. So nennt die Bundesärztekammer die persönliche Konsultation weiterhin als „Goldstandard“ in der Medizin. Angesichts der beschriebenen Vorteile sollte die Telemedizin jedoch dort, wo ohne Qualitätsverlust ärztliche Behandlungen möglich sind, vorbehaltslos einzusetzen sein. Wenn dies auch dann von den Patienten erkannt wird, wird der Anteil von Ferndiagnosen sicherlich noch steigen!